Eine alte Sage um Schmitten und Burg Hattstein

(weitere historische Infos findet man hier)

Lange schon sind die Mauern der Burg Hattstein, die einst von stolzer Höhe über die Lande sah, verschwunden; lange schon klingt nicht mehr das Klappern der Pferdehufe und das Klirren von Speeren und Spießen, aber dennoch ist die Erinnerung an die Burg Hattstein und an ihre Herren lebendig in der Erzählung der Menschen, die dort zwischen waldigen Bergen und tiefen Wäldern wohnen und arbeiten. Schmitten und die Burg Hattstein, besonders aber ihre Zerstörung, stehen im Mittelpunkt einer Sage, die uns mündlich bis auf den heutigen Tag überliefert worden ist. Der "Schmied von Schmitten" ist eine bekannte Figur des heimatlichen Sagenschatzes. Welche Bewandtnis hat es nun mit dem Schmied von Schmitten? Man erzählt: Vor langer, langer Zeit stand auf hohem, steinigen Felsen die Burg Hattstein, schier uneinnehmbar und gut befestigt. Im Turm der alten Burg hing ein silbernes Glöcklein, das ein Andenken an schwere Stunden der Not war. Als nämlich einst die Burg von feindlichen Rittern bestürmt wurde und das Kriegsglück sehr wechselvoll sich bald den Angreifern, bald den Verteidigern zuwandte, schlich sich beherzt des Ritters Töchterlein in das Lager der Feinde, um Gnade zu erflehen und die Burg und ihre Mannen zu schonen. Als die Feinde wieder abgezogen waren, suchte man der rettenden Tat des mutigen Mädchens ein bleibendes Andenken zu sichern. Eine silberne Glocke sollte fortan vom Turme aus das Nahen von Feinden, Freude und Leid verkünden. Und gar bald verbreitete sich die Mär, dass Burg Hattstein uneinnehmbar sei, solange die Silberglocke im Turme der Burg hinge. Und so kam es, dass Jahrzehnte, ja selbst Jahrhunderte lang die Hattsteiner zufrieden und friedlich leben konnten und kein Ansturm der Burg etwas schadete. Die Ritter von Hattstein waren im Lande gute Herren, verwalteten mit Umsicht ihr Erbe und taten Recht jedem, einerlei ob er nun Herr oder Knecht war.

Nach Generationen aber wandte sich der Sinn der Ritter. Aus Rittern wurden Räuber, vor denen weder die Dörfer noch die Straßen sicher waren. Sie plünderten, raubten, wagten Überfälle, schlugen Menschen und Tiere. Besonders wüteten die Hattsteiner im ihrer Burg so nahe gelegenen Schmitten. Es verging wohl kein Tag, an dem nicht eine neue Schandtat der Raubritter bekannt wurde. Der schmittener Einwohner bemächtigte sich ein berechtigter Zorn. Die ehrbaren Nagelschmiede und Bauern des Taunusdörfchens wollten die mutwillige Zerstörung ihres Besitzes und ihrer Habe nicht länger mitansehen und warteten nur auf einen Augenblick, der günstig genug war, das Räubernest Hattstein auszuräuchern. Besonders ein Schmied von Schmitten, – sein Name ist uns nicht bekannt – hatte dem Raubritter von Hattstein Rache geschworen; denn der hatte sein eigenes Weib geschändet. Damals war der Schmied wutentbrannt mit einem glühenden Eisen, das er gerade aus der Esse genommen hatte, dem hattsteinischen Ritter nachgelaufen und hatte ihn böse zugerichtet. Seinen schweren Schmiedehammer hatte er einem der Reitknechte ins Kreuz geworfen, dass er tot zusammengebrochen war. Dem Ritter selbst aber hatte er Rache geschworen und er war gewohnt, seine Schwüre zu halten. Er wollte das Land und seine ehrbaren, arbeitsamen Menschen von Ritterwahn und Räuberhand befreien.

Der Tag, der dem Schmied die Möglichkeit bot, seinen Schwur einzulösen, war nicht allzu fern.

Das Unwesen, dass die Ritter von Hattstein trieben, hatte andere Burgherren veranlasst, den Raubrittern auf der Burg Hattstein die Fehde anzusagen und Burg und Mannen zu vernichten. So zog denn eines Tages im Morgengrauen ein Heerhaufen von der Mainebene herauf, kam über den Kamm des Taunus in das friedliche Weiltal und belagerte Hattstein. Die Zahl der Belagerer war überaus groß und dennoch wollte es nicht gelingen, die Burg Hattstein zur Übergabe zu zwingen. Schon Tage und Wochen lag man in den Wäldern, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Der Obrist, der den Heerhaufen der Frankfurter anführte, stand ratlos da, und als er gar von Leuten aus der nahen Umgebung hörte, dass die Burg für uneinnehmbar gelte, sank ihm ganz der Mut und die Angriffslust. Da trat vor ihn hin der Schmied von Schmitten, erzählte von der silbernen Glocke im Burgturm und von der Uneinnehmbarkeit der Burg. "Solange die silberne Glocke noch im Turm hängt, vermag selbst das stärkste Heer nicht, die Burg zu stürmen. Aber wenn die Glocke verschwindet, dann ist mir ihr auch Hattsteins Glück gestohlen." So rief er dem Obristen zu. Der sah sich den bärigen Schmied, der ihm so Wunderliches sagte an, und als er in die ehrlichen Augen des braven Mannes sah, glaubte er an die Wundermär der Glocke und schnell war der Entschluss gefasst, vor dem Sturm heimlich die Glocke vom Turm der Burg zu holen. Wer aber sollte dies tun? Keiner von seinen Leuten kannte die Gegend, keiner kannte die Burg und keiner den Turm. Zum zweiten Male trat der Schmied von Schmitten vor den Kriegsmann: "Ich will es tun!".

Der Schmied von Schmitten kannte sich aus in den Wäldern seiner Heimat, er kannte auch die Burg und ihre Anlage. In der Nacht, als die Finsternis jede Bewegung verschleierte, schlich er auf steilem Pfade zur Burg hinauf, erklomm die hohe Mauer und erlauschte sich das Losungswort der Knechte, die im inneren Burghof als Wachen aufgestellt waren. So war es ihm jetzt ein leichtes, ins Innere der Burg zu kommen, den Turm hinaufzusteigen und die silberne Glocke herunterzuholen. So still und leise wie er gekommen, schlich er den Weg zurück ins Lager des Obristen, brachte die Glocke und konnte berichten, wie man sich in der Burg zur Verteidigung eingerichtet hatte. Schnell war der Plan zum Sturme fertig und mit den ersten Strahlen der Sonne erstiegen die Mannen der Frankfurter den Burgberg. Der Schmied von Schmitten stürmte voran, es galt jetzt, den Eid zu halten den er geschworen hatte.

Der Glöckner von Hattsteins Burg wollte das Wunderglöcklein läuten, aber er fand es nicht mehr an seiner Stelle. Als der Burgherr hörte, dass die silberne Glocke verschwunden sei, gab er jede Hoffnung auf einen Sieg auf, und mit ihm seine ganze Söldnerschar. Es dauerte nicht lange, da standen die ersten Mannen der Belagerer auf der Brücke der Burg, es entspann sich ein kurzer, heftiger Kampf und dann war es um Hattsteins Herrlichkeit geschehen. Der letzte Ritter war gefallen, die Burg geschleift, kein Stein blieb auf dem anderen.

"Heil dem Schmied von Schmitten" war der Siegesruf der Frankfurter. Als Belohnung für seine tapfere Tat bot man dem Schmied Geld und Gut, soviel er begehrte, aber der wies es zurück. "Ich will nicht Lohn noch Güter haben, denn ich habe das getan, was ich meiner Heimat schuldig war. Ich will, dass in der Zukunft Mann und Frau und Kind unserer Heimat sicher sind vor eines Hattsteiners Willkür. Gebt mir deshalb die Glocke, die jahrzehntelang die Burg der Ritter schützte, ich will sie versenken im tiefen Grund. Es soll Hattsteins Grab werden und niemals soll auferstehen das Geschlecht der Ritter von Hattstein."

Alles geschah so, wie der Schmied gesagt hatte, die silberne Glocke, das Glück von Hattstein, wurde versenkt, die Burg und ihre Ritter werden niemals wieder auferstehen.

Von wegen!

 

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